© Idah Modisane

Reiseberichte aus Tlhabane

Besuch von Superintendent K.-L. Schmidt n den Kirchenkreisen Odi und Tlhabane 25.1. bis 4.2.2019

Zum wiederholten Male konnte ich sowohl im Kirchenkreis Odi als auch im Kirchenkreis Tlhabane erleben, wie anregend und lebendig die Partnerschaftsarbeit sein kann. Lange Jahre habe ich als Vorsitzender der Partnerschaftsarbeit im Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen die Kontakte mit dem Kirchenkreis in Odi begleitet. Seitdem ich seit 2013 Superintendent im Stadtkirchenverband Hannover, Amtsbereich Nord-West, bin begleite ich die Partnerschaftsarbeit mit dem Kirchenkreis Tlhabane. Dadurch, dass in beiden Kirchenkreisen die neu gewählten Superintendenten an zwei aufeinander folgenden Sonntagen in ihren neuen Ämtern begrüßt wurden, war es mir möglich, an beiden Gottesdiensten teilzunehmen. 

Neben den vielen Eindrücken fröhlichen Feierns, der Musik und dem starken Gefühl des Vertrauens und der Verbundenheit nehme ich in diesem Jahr auch sehr viel stärker die Sorge um die Zukunft der Evangelisch-lutherischen Kirche in Südafrika mit nach Hause. Der schon seit einigen Jahren absehbare und immer deutlicher werdende Mangel an theologischem Nachwuchs stellt sich immer mehr als Krise der ELCSA dar. Ist es ohnehin schon schwer genug, junge Menschen für einen Beruf zu begeistern, der Ihnen angesichts der mangelnden Bezahlung es nicht ermöglicht, allein eine Familie zu versorgen, so hat sich seit einigen Jahren ein Vertrauensverlust entwickelt, der sich auf die Führungsfähigkeiten leitender Bischöfe der ELCSA bezieht. Nachdem in der central diocese ein hoher Millionenbetrag (über 40 Millionen Rand) durch einen Mitarbeiter der Diözese veruntreut worden ist, hat sich die Handlungsfähigkeit der ELCSA dramatisch eingeschränkt. Dieses Geld war unter anderem für die Ausbildung und Fortbildung von Pastorinnen und Pastoren vorgesehen. Ist der Verlust des Gelds an sich schon kaum verkraftbar, so leidet die ELCSA noch sehr viel stärker unter der Lähmung, die durch das Nicht-Handeln der Verantwortlichen hervorgerufen wird. Anstatt diejenigen, die die Veruntreuung zu verantworten haben zu suspendieren und die staatlichen Behörden einzuschalten, passiert nichts. Die offensichtlich Schuldigen sind weiter in ihrem Dienst und werden durch Kirchenleitende gedeckt. Es wird offen darüber spekuliert, dass auch diese in die Veruntreuung involviert sind. 

In einem Gespräch mit dem damaligen Leitenden Bischof der ELCSA MM Dtilhale, der inzwischen pensioniert ist, hat er mir sehr deutlich gesagt, dass noch in seiner Amtszeit, sorgfältig untersucht wurde und in einem Bericht alle Verantwortlichen genannt und deren Agieren bewiesen worden ist. Daraufhin sei nichts passiert, bis heute.

Auch der jetzige Bischof der Western Diocese MJ Ubane hat mir das bestätigt. In einer Kirche, die fast zu 100% auf Spendengelder angewiesen ist, ist das verheerend. Das Vertrauen in den Umgang mit den Spendengeldern ist stark gesunken und die Bereitschaft, weiter zu spenden, nicht sehr hoch. 

Aufgrund des Verlustes an Mitteln, musste das Seminar zur Ausbildung von Pastorinnen und Pastoren in Pietermaritzburg geschlossen werden. Der Nachwuchs an Theologen kommt jetzt aus staatlichen Universitäten. Nach einem 5-jährigen Studium der Theologie gibt es lediglich ein Vikariat, das unter Aufsicht des jeweiligen Superintendenten für einige Monate in einer Gemeinde des Kirchenkreises absolviert wird. Die Ordination ist dann in das Belieben des jeweiligen Bischofs gestellt. Aufgrund der personellen Not wird häufig sehr schnell ordiniert. Ich habe miterlebt, wie die Festsetzung eines solchen Termins durch den Bischof erfolgte, ohne dass klar war, wann und wie für das nötige Examen geprüft wird und ob es überhaupt bestanden wird. 

Schon jetzt ist Pastorinnen und Pastorenmangel groß, viele Pastorinnen und Pastoren müssen zwei Gemeinden versorgen. Diese empfinden die Mehrbelastung sehr stark, da es in einer Gemeinde häufig mehrere „Versammlungen“, congregations gibt, die alle ihre eigene Kirche haben und sonntäglich Gottesdienst feiern. Eine finanzielle Entschädigung für Pastorinnen und Pastoren, die zwei Gemeinden versorgen, ist bislang nicht vorgesehen. Das ist angesichts der ohnehin schon geringen Bezüge eine weitere Schwierigkeit. 

Immer wieder hörte ich in den Gesprächen von der Idee, die Gebäude des ehemaligen Seminars in Marang, nahe Rustenburg wiederzubeleben, um ein eigenes Seminar zu betreiben. Der Gedanke liegt nahe. Allerdings sind die Gebäude durch den in der Nähe befindlichen Bergbau stark in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt Risse und die Fundamente haben sich teilweise verzogen. Allerdings gehört der Grund und Boden noch der ELCSA. Hier ist eine Überlegung, ein Konzept zu erarbeiten, das den Wiederaufbau der Gebäude vorsieht und einen Seminarbetrieb ermöglicht. Ob dazu die eigenen Kräfte, auch hinsichtlich der Lehrenden ausreichend vorhanden sind, kann ich nur schwer sagen. 

In einem guten und intensiven Gespräch mit Pastor Motswasele wurde deutlich, dass die finanzielle Basis der ELCSA auf lange Sicht unabhängiger werden muss von den Spendengeldern ihrer Mitglieder. Seine Idee, Immobilien zu erwerben, um daraus langfristig Mieteinnahmen zu generieren, ist sicher eine Möglichkeit dafür. Umso schmerzlicher ist die Tatsache, dass die ELCSA sich dazu entschlossen hat, ihre „Schätze“ zu verkaufen, so etwa ein Grundstück und Haus in einer sehr guten Lage in Kapstadt. 

Verheerend ist auch das verlorene Vertrauen von potenziellen Geldgebern westlicher Kirchen. Erst wenn der deutliche Wille zur Aufklärung der Vorgänge um die Unterschlagung der kirchlichen Gelder mit den daraus folgenden Konsequenzen für die Beteiligten deutlich wird, kann ein Anfang gemacht werden, um wieder Vertrauen aufzubauen. 

Für die Gemeinden ist die jetzige Situation nur schwer zu ertragen. Der Mangel an Pastorinnen und Pastoren führt unter anderem auch dazu, dass teilweise die Vorsitzenden der Kirchenvorstände, die keine Geistlichen sind, eine Machtfülle erlangen, die sie teilweise bis an den Rand des Missbrauchs ausnutzen. Hier kommt es teilweise zu Konflikten mit der Kirchenleitung (z.B. in der Bethlehemgemeinde in Rustenburg). 

Für mich ist es nur schwer mit anzusehen, dass die ELCSA sich momentan aufgrund ihrer mangelnden Bereitschaft zur Transparenz und Klarheit, lähmt. Eine Generalversammlung aller Diözesen ist bislang noch nicht möglich gewesen, da es in zwei Diözesen immer noch nicht alle erforderlichen Wahlen gegeben hat. So ist ein abgestimmtes Vorgehen aller Diözesen bislang durch die schleppend langen Wahlen unterbunden worden. 

Ich teile eine gewisse Ratlosigkeit, hoffe jedoch sehr, dass sich in den nächsten Jahren vor allem die Frage der Ausbildung von Pastorinnen und Pastoren klärt. An dieser Frage hängt ein erheblicher Teil der Zukunft der ELCSA. 

Hannover, im Februar 2019 

Karl Ludwig Schmidt